„Eine gestaltende Persönlichkeit besitzt die Fähigkeit, Veränderung herbeizuführen und Neues zu schaffen.“

Gespräch mit dem Autor Wilhelm Friedrich Boyens über die Faszination prägender Lenker der Geschichte und ihre Bedeutung für die moderne Führung.

Ulrike Krause: Sie haben ein Buch über historische Persönlichkeiten geschrieben, über Menschen, die in der Politik und auf dem Schlachtfeld die Führungsrolle innehatten. Welche Bedeutung hatten diese Persönlichkeiten für Sie in Ihrem Beruf als einer der führenden Personalberater Deutschlands? Was lernt man, wenn man sich mit ihnen beschäftigt?

Wilhelm Friedrich Boyens: Einiges von dem, was diese Gestalter der Geschichte in sich vereinen, ist auch heute noch unverzichtbar; in der Politik genauso wie an der Spitze eines Unternehmens, es hat die Jahrhunderte überdauert: der unbedingte Wille zur Führung; die Kraft, Dinge durchzusetzen, die man als richtig und notwendig erkannt hat – auch gegen Widerstände. Der Begriff des „Tatmenschen“ trifft es vielleicht ganz gut. Wenn er von einer Sache überzeugt ist, handelt er – und zwar mit allen Konsequenzen. Eine hochrangige Führungskraft muss einiges davon mitbringen. Wenn jemand in der Politik als erfolgreiche Führungspersönlichkeit in die Geschichte eingehen will, muss sich sein oder ihr Wirken letztlich auch in Taten und Erfolgen niederschlagen. Wenn es bei Worten und beim Wollen bleibt, ist sie gescheitert – in der Politik genauso wie in der Wirtschaft.

„Man könnte Friedrich den Großen geradezu als Vorreiter des Gedankens der Diversität ansehen.“

Es eint diese Leute also, dass sie einer Epoche ihren Stempel aufgeprägt haben?

Ja, eine gestaltende Persönlichkeit besitzt den Willen und die Fähigkeit, Veränderungen herbeizuführen, Neues zu schaffen. Richelieu und Mazarin haben als Kardinäle die zentrale Macht für die Könige in Frankreich geschaffen. Friedrich der Große hat Preußen – durch Kriege und innere Reformen – in die Reihe der europäischen Großmächte geführt. Napoleon hat Frankreich in vielen Bereichen modernisiert und dem französischen Bürgertum das Gefühl vermittelt, Teil einer Grande Nation zu sein. Ein Gestalter administriert nicht, sondern wird schöpferisch tätig. Im äußersten Fall stellt er ein Staatswesen auf den Kopf.

Oder stellt sich ganz bewusst Veränderungen entgegen, die er als Bedrohung ansieht? Sie schreiben ja auch über Metternich, den Restaurator und entschiedenen Bekämpfer liberaler Ideen.

Gestalten kann auch heißen, gegen den Zeitgeist, der alles fortzureißen droht, Dinge zu bewahren. Metternich ist ein Beispiel für einen solchen konservativen Gestalter: Zweifellos ist die Restauration, die er nach der Napoleon-Zeit und gegen alle liberalen Strömungen betrieben hat, kritikwürdig – aber sie hat Europa immerhin eine lange Zeit ohne Krieg gebracht.

„Eine breite Basis an Wissen und Interessen leistet beim Regieren eines Staates oder bei der Führung eines Unternehmens gute Dienste. Sie schafft Distanz und hilft, die Dinge sicherer einzuordnen.“

Wie haben Sie sich diesen sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten genähert?

Ich habe einige zentrale Fragen an sie gestellt: Warum haben sie so gehandelt? Was waren ihre Motive? Wie bewältigten sie Krisen? Welche Taktik und Strategien entwickelten sie? Wie überwanden sie Widerstände und verkrafteten Niederlagen? Gab es bestimmte Grundstrukturen, die ihnen gemeinsam waren? Woraus schöpften sie ihre Kraft? Schon als ich mich vor gut 40 Jahren für meinen Beruf entschied, faszinierten mich solche Leitfiguren. Das liegt eigentlich auch nahe, da ich ja beruflich ständig auf der Suche nach Menschen war, die starke Führungspersönlichkeiten waren oder das Potential dazu hatten.

Wilhelm Friedrich Boyens
Gestalter der Geschichte
Von Richelieu bis Churchill
geschrieben von Wilhelm Friedrich Boyens
Vorwort von Klaus von Dohnanyi
Buchkonzeption
Dr. Ulrike Krause in Zusammenarbeit mit Designer Jonas Vogler, der auch die Buchgestaltung übernahm

1. Auflage, 192 Seiten mit 12 Farbtafeln
Erscheinungsdatum: 20.10.2021
Wachholtz Verlag
ISBN 978-3-529-05066-4

Gestalter der Geschichte, W.F. Boyens
Das gesamte Interview als PDF zum Download